Bericht aus dem Grossen Rat
20. Januar 2025
Dem Volk verpflichtet
«War er das jetzt, der erste Vorgeschmack auf die befürchtete Polarisierung unseres Kantonsparlaments dank der neuen Mehrheitsverhältnisse?», fragte sich wohl manch eine Grossrätin oder ein Grossrat auf der abendlichen Heimfahrt, in Erinnerung an teils hitzige und ausufernde Diskussionen des Tages. Allen voran das von der Schreibenden beim sonntäglichen Aktenstudium noch als eher unspektakulär und unbestritten eingestufte Postulat von Mitgliedern der Fraktionen der EVP, Mitte, GLP, SP und Grünen. Das Anliegen: Der Regierungsrat soll prüfen, ob eine kantonale Vereinheitlichung und Präzisierung der Richtlinien zur Bemessung der in der Sozialhilfe anrechenbaren Mietkosten Sinn mache. Ein Projekt, das mit wenig Aufwand und geringen Kosten viel Ungerechtigkeit wirksam beseitigen und dabei sogar noch die Gemeinden entlasten könnte. Dies sah auch der Regierungsrat so und stimmte dem Postulat zu. Nicht aber die neue Mehrheit im Rat: Die SVP präsentierte dem überraschten Parlament am Nachmittag ihre kurzerhand während des Mittagessens entwickelte Idee. Statt die von den Gemeinden anzuwenden Richtlinien zu präzisieren, soll der Kanton die Gemeinden bei der Anwendung der (unpräzisen) Vorgaben überwachen. Bedenken, dass dies weniger effizient sei und massiv teurer werde als die «Mitte-Links-Lösung» fanden kein Gehör; auch nicht bei der FDP, welche ansonsten stets zu betonen pflegt, jeglichen Personalausbau beim Kanton kritisch zu hinterfragen. Die Reihen in der rechten Saalhälfte wurden geschlossen. Das Resultat: Ein mit 69 Stimmen versenktes Postulat, keine Lösung und 65 «ratlose» Ratsmitglieder.
Fast am Ende des Tages dann doch noch etwas Erfreuliches: Das Mentorat für Einsteiger in den Lehrerberuf wird für vier Jahre weitergeführt. Die Mitte-Fraktion wie auch die Regierung hätten sich angesichts des akuten Mangels an Lehrpersonen und der entsprechenden Dringlichkeit, motivierte Pädagoginnen und Pädagogen im Beruf halten zu können, eine unbefristete Umsetzung gewünscht. Um Kosten für den «im Geld schwimmenden Kanton» (Zitat FDP) zu sparen, konnte mit der zeitlichen Befristung des Projekts wenigstens ein knapp mehrheitsfähiger Kompromiss ausgehandelt werden.
Der Kompromiss; möglicherweise eines der «Zauberworte» der nächsten vier Jahre. Nur wenn wir Grossrätinnen und Grossräte über die Parteigrenzen hinaus Lösungen suchen und finden, können wir das vor einer Woche dem Volk gegenüber abgegebene Versprechen auch einlösen: «Ich gelobe, als Mitglied des Grossen Rates meine Verantwortung gegenüber Mensch, Gemeinschaft und Umwelt wahrzunehmen, die Wohlfahrt des Kantons Aargau und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu fördern und der Verfassung und den Gesetzen gemäss nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln.» Hohe Ziele und ein grosse Verantwortung, die wir nur gemeinsam meistern können.
Karin Koch Wick, Grossrätin